Remote Interpreting im Kommunal- und Konferenzbereich

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Remote Interpreting im Kommunal- und Konferenzbereich

Veröffentlicht in

Dolmetschen und Dolmetscher

am 23/03/2022

Die allgegenwärtigen Einschränkungen aufgrund der Coronapandemie haben in vielen Bereichen zu grundlegenden Veränderungen geführt. Die Welt der Sprachdienstleistungen ist dabei keine Ausnahme. Vermehrtes Arbeiten im Homeoffice und der Umstieg auf Online-Konferenzen – Trends, die dank der fortschreitenden weltweiten Vernetzung bereits vor der Pandemie zu erkennen waren – sowie die Notwendigkeit für Social Distancing haben insbesondere im Dolmetschbereich neue Entwicklungen angestoßen bzw. bestehende beschleunigt. Die wohl tiefgreifendste davon ist das sogenannte „Remote Interpreting“.

Unter dem Begriff „Remote Interpreting“ versteht man ganz allgemein die Bereitstellung von Dolmetschdienstleistungen über digitale Kommunikationskanäle wie das Telefon oder das Internet in Situationen, in denen sich nicht alle Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer am selben Ort befinden. Bei den möglichen Konstellationen ist der Fantasie dabei keine Grenzen gesetzt: Es ist ebenso möglich, dass alle Beteiligten sich alleine mit ihren jeweiligen Endgeräten zuschalten, wie dass nur die Dolmetscherin oder der Dolmetscher bzw. die Kundin oder der Kunde virtuell hinzugezogen wird und alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich am selben Ort aufhalten. Grundlegende Unterschiede bestehen jedoch zwischen dem Remote Interpreting im Kommunalbereich einerseits und im Konferenzbereich andererseits.

Remote Interpreting im Kommunalbereich

Mit „Kommunaldolmetschen“ ist gemeinhin das Dolmetschen für Ämter, Behörden, Gerichte, Arztpraxen und ähnliche öffentliche Einrichtungen gemeint. Anders als beim Konferenzdolmetschen wird das Gesagte in solchen Settings in der Regel nicht simultan, sondern konsekutiv verdolmetscht. Die konsekutive Natur des Kommunaldolmetschens führt dazu, dass ohne großen technischen Aufwand Remote-Dolmetschdienstleistungen angeboten werden können. Spricht etwa bei einem Amt oder einer Behörde jemand vor, der der Landessprache nicht mächtig ist, kann per Telefon oder Videokonferenzschaltung – je nach technischer Ausstattung – relativ problemlos eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher hinzugezogen werden.

Gerade in diesem Kontext eignet sich Remote Interpreting sehr gut zur Überbrückung von Sprachbarrieren, da aufgrund der großen Fluktuation und der Vielzahl an Kundinnen und Kunden nur unter großem organisatorischem Aufwand für jede erforderliche Sprache Dolmetscherinnen oder Dolmetscher in Präsenz organisiert werden könnten. Außerdem können Remote-Dolmetschdienstleistungen deutlich flexibler zur Verfügung gestellt werden, da die Anreise zum Einsatzort entfällt. Dieser Vielzahl an Vorteilen ist es auch zu verdanken, dass Telefon- bzw. Videodolmetschen im Kommunalbereich bereits vor Beginn der Pandemie gang und gäbe waren.

In Österreich und Deutschland läuft die Vermittlung von Remote-Dolmetscherinnen und -Dolmetschern in der Regel über größere Anbieter, die als Vermittler fungieren. Auf der einen Seite gehen diese mit Behörden, Magistraten, Schulen etc. Kooperationen ein und auf der anderen Seite rekrutieren sie für alle angebotenen Sprachen professionelle Dolmetscherinnen und Dolmetscher und teilen diese anhand ihrer individuellen Verfügbarkeiten für Bereitschaftsdienste oder in selteneren Fällen auch für von langer Hand geplante Termine ein. So wird ein Pool an erfahrenen Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern für alle möglichen Sprachen – auch die selteneren – geschaffen, die als Team in der Lage sind, flächendeckend und zu jeder Tageszeit bei behördlichen Gesprächen zu vermitteln. Dieses System hat sowohl für die Behörde, die die Dolmetschdienstleistung in Anspruch nimmt, als auch für die einzelnen Dolmetscherinnen und Dolmetscher große Vorteile. Den Behörden bleibt die mühsame Suche nach einer Dolmetscherin oder einem Dolmetscher mit der passenden Sprachkombination erspart, diese wiederum müssen sich nicht selbst um die Akquise von Kundinnen und Kunden kümmern.

Jede Stelle, die Remote-Dolmetschdienstleistungen in Anspruch nehmen möchte, muss sich jedoch der Tatsache bewusst sein, dass das Remote Interpreting mehr Distanz schafft, als es beim Dolmetschen vor Ort der Fall wäre. Insbesondere bei therapeutischen Gesprächen oder Arztbesuchen kann dies zu Qualitätseinschränkungen führen. In Summe überwiegen jedoch eindeutig die Vorteile, weshalb das Remote Interpreting im Kommunalbereich immer mehr an Fahrt gewinnt.

Remote Interpreting im Konferenzbereich

Im Unterschied zum Kommunaldolmetschen wird aufgrund der enormen Zeitersparnis auf Konferenzen, Kongressen oder Tagungen normalerweise nicht konsekutiv, sondern simultan gedolmetscht. In der technischen Umsetzung ist die Bereitstellung von Simultandolmetschleistungen aus der Ferne jedoch deutlich komplizierter als im konsekutiven Modus. Nachdem Simultandolmetscherinnen und -dolmetscher gleichzeitig sprechen und zuhören, sind beim simultanen Remote Interpreting mindestens zwei Kanäle notwendig: ein Kanal, über den das Gesagte die Dolmetscherin oder den Dolmetscher erreicht, und ein Ausgabekanal, über den das Publikum der Verdolmetschung lauschen kann. In einer normalen Videokonferenz etwa wäre die Rednerin oder der Redner andernfalls ja nicht mehr zu verstehen, wenn die Verdolmetschung zeitgleich in den gemeinsamen Kanal eingespielt wird.

Im Zuge der ersten Pandemiemonate haben sich einige große Softwareunternehmen (z. B. Zoom) dieses Problems angenommen und in bestehende Videokommunikationssysteme Optionen zur Bereitstellung von Simultandolmetschungen integriert. Im Rahmen von Zoom-Konferenzen können beispielsweise von der Moderatorin oder vom Moderator einzelne Teilnehmende zur Dolmetscherin oder zum Dolmetscher ernannt werden. Diese haben dann die Option, den Kanal, auf dem ihre Verdolmetschung zu hören sein soll, selbst zu wählen. Das Publikum muss sich dann nur noch in den gewünschten Audiokanal einwählen und schon ist eine simultane Remote-Verdolmetschung des Sitzungsgeschehens möglich.

Nachdem Simultandolmetscherinnen und -dolmetscher nie alleine, sondern immer in Zweier- oder Dreierteams zusammenarbeiten, stellt die Übergabe jedoch ein Problem dar. Beim „klassischen“ Simultandolmetschen in der Kabine verständigt man sich normalerweise über Blickkontakt oder kurze Notizen darüber, dass man an die Kollegin oder den Kollegen übergeben möchte. Wenn die- oder derjenige sich jedoch an einem anderen Ort vor ihrem oder seinem eigenen Computer befindet, ist Kreativität gefragt: Chatnachrichten, ein kurzer Austausch übers Telefon oder Ähnliches sind notwendig, um der Partnerin oder dem Partner verständlich zu machen, dass man abgeben möchte.

Um noch ein gutes Stück komplizierter ist die Lage beim Remote-Simultandolmetschen für internationale Organisationen wie der EU, da hier in der Regel nicht nur in eine, sondern in bis zu 24 Sprachen gedolmetscht werden muss. Dies würde den Rahmen einer Zoom-Konferenz bei Weitem sprengen. Deshalb werden bei der Europäischen Kommission, beim Europäischen Parlament sowie im Rat seit Beginn der Pandemie die Plattformen Pepix, Webex und vor allem Interactio genutzt. Diese ermöglichen es theoretisch, Konferenzen mit einem vollständigen Sprachenregime von 24 Sprachen rein virtuell abzuhalten. Praktisch ist es jedoch nach wie vor so, dass das Organisationsteam, die Technik sowie die Dolmetscherinnen und Dolmetscher vor Ort in den Räumlichkeiten von Kommission, Parlament und Rat anwesend sind, und nur die Sitzungsteilnehmerinnen und -teilnehmer aus ihren Büros zugeschalten werden. Dies liegt darin begründet, dass bei wichtigen Konferenzen zu sensiblen Themen bei rein virtuellen Sitzungen zu große Sicherheitsbedenken bestehen. Nur für seltene Sprachen wie etwa Dänisch, Bulgarisch oder Gälisch, für die es in Brüssel nicht immer ausreichend Angebot gibt, wird teilweise auch das sogenannte „Non-Colocated Remote Simultaneous Interpreting“ (NCRSI) genutzt, bei dem sich das gesamte Dolmetschteam für die jeweilige Sprache nicht vor Ort befindet. Damit ist man jedoch relativ zurückhaltend, da auch abseits der Sicherheitsbedenken einige Fragen immer noch ungeklärt sind, etwa wer bei einem Stromausfall haftet, wer für das für NCRSI erforderliche Equipment aufkommt, ob Zuschüsse zur Strom- und Internetrechnung erforderlich sind und viele weitere.

Trotz dieser noch ungeklärten Fragen und der Stolpersteine, die nach wie vor bestehen, ist das Remote Interpreting auch im Konferenzbereich gekommen, um zu bleiben. Viele EU-Beamte genießen die Flexibilität und den Komfort, die Videokonferenzen bieten. Von den positiven Auswirkungen auf das Klima, wenn auf wöchentliche Kurzstreckenflüge nach Brüssel oder Straßburg verzichtet wird, ganz zu schweigen. Und auch im Kommunalbereich ist das Remote Interpreting mittlerweile so fest im Arbeitsalltag verankert, dass sich kaum jemand in die guten alten analogen Zeiten zurücksehnt.